Neue Studie belegt Potenzial von Infrarotheizungen in Bestandsgebäuden

Die Technische Universität Dresden hat den Einsatz von Infrarotheizungen in einem Einfamilienhaus mit fünf verschiedenen Wärmeschutzniveaus – vom 1950er Jahre-Haus bis hin zum Neubau – untersucht. Im Mittelpunkt der numerischen Analysen standen die Erfüllung der Kriterien zur thermischen Behaglichkeit und die Bestimmung des notwendigen Energieverbrauchs für Infrarotheizsysteme sowie der Vergleich zu anderen Heizsystemen.

Sauerlach, 11. Juni 2024. Können Infrarotheizungen auch in einem Haus aus den 1970er Jahren genutzt werden? Und wie sieht es in Gebäuden aus den 1950er Jahren aus? Die Antwort hierauf gibt eine aktuelle Studie der Technischen Universität Dresden (TU Dresden). Die Wissenschaftler haben den Einsatz von Infrarotheizungen in einem Einfamilienhaus mit fünf verschiedenen Wärmeschutzniveaus – vom 1950er Jahre-Haus bis hin zum Neubau – mit Blick auf den Energieverbrauch und die thermische Behaglichkeit untersucht und sind dabei zu dem folgenden Ergebnis gekommen: In allen Gebäudeklassen kann die thermische Behaglichkeit gesichert werden. Infrarotheizungen sind eine technische Erfüllungsmöglichkeit für die Beheizung von Neubauten ebenso wie von älteren Gebäuden.

Die Studie mit dem Titel „Energetische Bewertung des Einsatzes von Infrarotheizungen als Spitzenlastabdeckung in Kombination mit einer Wärmepumpe für verschiedene Baualtersklassen“ knüpft an die Studie der TU Dresden aus dem vergangenen Jahr an. Beide Untersuchungen wurden von dem Branchenverband IG Infrarot Deutschland e.V. in Auftrag gegeben. Auf der Konferenz „Die Infrarotheizung im Bestandsgebäude“ im April präsentierte Prof. Dr.-Ing. habil. Joachim Seifert, Bereichsleiter Gebäudeenergietechnik am Institut für Energietechnik an der Technischen Universität Dresden, erstmals die Ergebnisse. Nun liegt der Schlussbericht vor, der auf der Website der IG Infrarot Deutschland unter https://ig-infrarot.de/ zum kostenfreien Download zur Verfügung steht. 

Numerische Analysen für Einfamilienhaus mit fünf Baualtersklassen

Der aktuellen Studie liegt das gleiche Einfamilienhaus wie in der ersten Studie aus dem Jahr 2023 zugrunde. Es hat eine Nutzfläche von 160 Quadratmetern mit einer Belegung von vier Personen. Der Wärmeschutz entspricht Wärmeschutzverordnung WSVO 1995 (WSVO 95). Die Heizlast liegt bei 9,2 Kilowatt (kW) und die spezifische Heizlast beträgt 57,2 Watt je Quadratmeter (W/m²). Die Wissenschaftler nahmen keine Differenzierung zwischen Wochen- und Wochenendbetrieb vor. Zudem musste zur Nutzungszeit immer eine vorgegebene thermische Behaglichkeit erreicht werden. Simuliert wurde mit dem numerischen Simulationsprogramm TRNSYS-TUD.

Zusätzlich zur WSVO 95 wurden folgende Baualtersklassen untersucht: ein Neubau in Anlehnung an KfW 40-Standard sowie Gebäude mit den Wärmeschutzniveaus EnEV04, WSVO77 und Baualtersklasse (BA) 1950. Die Heizlast bewegt sich zwischen 4,6 kW beim Neubau und 19 kW beim BA1950-Haus, die spezifische Heizlast zwischen 28,9 und 118,1 W/m². Im Gebäude wurde ein wasserbasiertes Heizsystem mit elf Heizkörpern hinterlegt.

Unterschiedliche anlagentechnische Varianten wurden analysiert: im monovalenten Betrieb ein Gaskessel, eine Luft-Wasser-Wärmepumpe und Infrarotheizungen sowie im hybriden Betrieb eine Luft-Wasser-Wärmepumpe zusammen mit Infrarotheizungen sowie der Bestandsgaskessel in Kombination mit Infrarotheizungen. Bei dem Gaskessel handelt es sich in Abhängigkeit von der Baualtersklasse um einen Brennwertkessel beziehungsweise einen Niedertemperaturkessel. Die Vergleiche wurden für einen durchgehenden und einen intermittierenden Betrieb durchgeführt. Nachfolgend werden insbesondere die Ergebnisse der intermittierenden Betriebsweise wiedergegeben.

Thermische Behaglichkeit

Im Rahmen der energetischen Auswertung wurden die Nutzenergie, die flächenbezogene Nutzenergie und die Endenergie erfasst. Neben der energetischen Auswertung stand die thermische Behaglichkeit im Mittelpunkt der Untersuchungen. Die Wissenschaftler legten Kriterien für die maximal zulässige Unterschreitung der Solltemperatur fest. So stellten sie die Einhaltung der thermischen Behaglichkeit sicher, was ein wichtiges Kriterium für die energetische Vergleichbarkeit der Variantenrechnungen ist. Die untersuchte Heizperiode ist 216 Tage lang, die gesamte Nutzungszeit beträgt 1.512 Stunden.

Wärmeschutzniveau WSVO95

Soweit zu den Eckdaten der Simulation, nun zu den Ergebnissen für die einzelnen Baualtersklassen. Da die Wissenschaftler in der ersten Studie mit einem Gebäude mit Wärmeschutzniveau WSVO95 simulierten, wird diese Kategorie hier zuerst betrachtet. In Ergänzung zu der ersten Studie wurde nun eine hybride Variante mit einer Luft-Wasser-Wärmepumpe mit 3 kW Nennleistung, was circa 30 Prozent der Heizlast des Einfamilienhauses entspricht, analysiert. Die Wärmeübergabe fand hybrid mit Infrarotheizungen und wasserbasiertem System statt: Die kleine Wärmepumpe beheizte den Raum durchgehend (Grundlast), während die Infrarotheizungen während der Nutzungszeit die Spitzenlasten deckten. Die Ergebnisse zeigen, dass die thermische Behaglichkeit gewährleistet werden kann. Unter den gegebenen Bedingungen übernehmen die Infrarotheizungen 27 Prozent der Raumheizaufgabe. Ihr Anteil an der Endenergie liegt bei 61 Prozent.

Die Simulation belegt die Aussage, dass es grundsätzlich möglich ist, das Einfamilienhaus mit einer Wärmepumpe, deren Nennleistung circa 30 Prozent der Heizlast entspricht, sowie einem reduzierten Temperaturniveau in Kombination mit Infrarotheizungen zu beheizen, heißt es im Fazit zu dieser Kategorie.

Neubau in Anlehnung an KfW 40-Standard

Der Neubau, der in Anlehnung an den KfW 40-Standard analysiert wurde, hat eine sehr niedrige Heizlast. Deshalb wurde hier nur die monovalente Wärmeübergabe untersucht. Die Variante Luft-Wasser-Wärmepumpe mit Heizkörpern wurde der Raumbeheizung mit Infrarotheizungen gegenübergestellt. Die Wissenschaftler kamen zu dem Ergebnis, dass die Infrarotheizungen im durchgehenden Betrieb die genauere Einhaltung des Sollwertes im Vergleich zu dem wasserbasierten Heizsystem ermöglichen.

Dieses Ergebnis resultiert aus der bleibenden Regelabweichung der Thermostatregelventile der freien Heizflächen. Daraus resultiert ein geringerer Nutzenergiebedarf der Infrarotheizungen gegenüber der Luft-Wasser-Wärmepumpe mit Heizkörpern.

Im intermittierenden Betrieb sind Anheizzeiten für das wasserbasierte System nötig. Bei den Infrarotheizungen kann aufgrund ihrer schnelleren Reaktionszeiten auf eine Anheizzeit unter den definierten Randbedingungen verzichtet werden. Die energetischen Kennwerte der Nutzenergien der Infrarotheizungen weisen im intermittierenden Betrieb minimal höhere Werte auf, dies kann mit der genaueren Einhaltung der Sollwerte und einem höheren thermischen Komfort insbesondere zu Beginn der Nutzungszeit begründet werden, heißt es im Abschlussbericht der TU Dresden.

Wärmedämmstandard EnEV04

Bei dieser Baualtersklasse lag der Fokus auf der hybriden Wärmeübergabe. Die Simulation ergab, dass im intermittierenden Betrieb Anheizzeiten nötig sind, um die thermische Behaglichkeit einzuhalten. Sie zeigen weiterhin, dass mit einer Kleinst-Wärmepumpe mit zwei Kilowatt thermischer Leistung in Kombination mit den Infrarotheizungen die Erfüllung der thermischen Behaglichkeit auch im intermittierenden Bereich umgesetzt werden kann. In Bezug auf den Energieverbrauch weisen die hybriden Varianten höhere Kennwerte auf, was die Wissenschaftler mit der exakten Sollwerteinhaltung sowie dem ungeregelten Wärmeeintrag über das wasserbasierte System begründen. Die Varianten mit hybrider Wärmeübergabe erfüllen die Einhaltung der thermischen Behaglichkeit unter den vorgegebenen Randbedingungen deutlich besser. Zu keinem Zeitpunkt treten Unterschreitungen des Sollwertes auf.

Wärmeschutzverordnung WSVO77 und Baualtersklasse 1950

Für die Untersuchungen der Wärmeschutzniveaus WSVO77 und Baualtersklasse 1950 nahmen die Wissenschaftler bei der intermittierenden Betriebsweise Anpassungen vor, um die thermische Behaglichkeit zu gewährleisten. Die Anheizzeit wurde auf vier Stunden verlängert und die Heizkurve um 4 Kelvin angehoben. Außerdem wurde die außentemperaturabhängige Nachtabschaltung des Wärmeerzeugers ausgesetzt.

Durch diese Maßnahmen konnten die Wärmeerzeuger mit Heizkörpern die geforderte thermische Behaglichkeit während der Nutzungszeit erfüllen. Für den hybriden Betrieb wurden die Niedertemperaturkessel um Infrarotheizungen erweitert und die Heizkurven reduziert. Innerhalb der Varianten der Luft-Wasser-Wärmepumpe erfolgte ein Austausch des Wärmeerzeugers durch Wärmepumpen mit deutlich kleinerer Leistung (Nennleistung 4,5 bzw. 7 kW). Alle Varianten erfüllten die Kriterien der thermischen Behaglichkeit.

Fazit der Studie

Zusammenfassend halten die Wissenschaftler der TU Dresden fest, dass in allen untersuchten Wärmeschutzniveaus der Einsatz von Infrarotheizungen als Spitzenlastabdeckung in Kombination mit einer Luft-Wasser-Wärmepumpe eine technisch realisierbare Systemkombination darstellt.

Die durchgeführten Untersuchungen zeigen, dass durch Infrarotheizungen zur Spitzenlastabdeckung das vorhandene wassergeführte Heizungssystem mit einer auf 30 Prozent der Heizlast des Gebäudes dimensionierten Wärmepumpe bei abgesenktem Systemtemperaturniveau betrieben werden kann. Dabei muss das Wärmeabgabesystem oder die Dämmung des Gebäudes nicht verändert werden. „Diese klein dimensionierte Wärmepumpe ist in der Regel einfacher und kosteneffizienter zu installieren“, sagt Dirk Bornhorst, zweiter Vorsitzender der IG Infrarot Deutschland.

Einordnung durch den Vorstand der IG Infrarot Deutschland

Die Vorstände des IG Infrarot Deutschland e.V., Lars Keussen, Dirk Bornhorst, Uwe Lucht und Christoph Weiland, ordnen das Ergebnis zur Studie wie folgt ein:

Die Studie hat gezeigt, dass sich mit Infrarotheizungen in allen Gebäudeklassen thermische Behaglichkeit erreichen lässt. Sie hat auch gezeigt, dass der Einsatz von Infrarotheizungen zur Spitzenlastabdeckung, auch in Kombination mit einer kleinen Grundlast-Wärmepumpe, eine gute Alternative darstellt.

Infrarotheizungen sind damit eine Lösung für die dringend nötige Energie- und Wärmewende, dies aufgrund ihrer einzigartigen physikalischen Eigenschaften wie der schnellen Reaktionsgeschwindigkeit, der lokalen Einheit von Wärmeerzeuger und Wärmeabgabesystem sowie der präzisen anwesenheitsorientierten Nutzung. Außerdem gewährleistet die Infrarotheizung allein und auch als Hybridsystem im Zusammenspiel mit einer klein dimensionierten Grundlast-Wärmepumpe die Einhaltung der thermischen Behaglichkeit in allen untersuchten Gebäudeklassen.

Die Kombination aus Infrarotheizung und kleiner Wärmepumpe birgt neben dem Einsparpotential von Endenergie auch ein Einsparpotenzial im Investitionsbereich. Bei der Betrachtung der Infrarotheizung als alleiniges Heizsystem ist der energetische Verbrauch dieser in der Simulation zwar höher als bei einer großen Wärmepumpe, aber die Anschaffung und der Unterhalt über die zu erwartende Lebensdauer sind deutlich niedriger.

Die Betrachtung der Gesamtwirtschaftlichkeit der Systeme (Kosten für Investition und Wartung sowie Energieverbrauch) ist bei allen Wärmeschutzniveaus wichtig. Es sind weitere Einsparpotentiale zu erwarten, die in dieser Studie mit numerischer Analyse noch keine Berücksichtigung gefunden haben und Teil weiterer Untersuchungen durch den Verband und seiner Mitglieder sein werden. Die wissenschaftlich begleiteten Untersuchungen sollen Einsparpotenziale durch die reale Nutzung eines infrarotbeheizten Gebäudes (thermische Behaglichkeit), die Einbindung von Photovoltaiksystemen, Netzdienlichkeit durch dynamische Stromtarife sowie eine energieeffiziente Trinkwassererwärmung beinhalten.

Hintergrundinformation:

Erste Studie der Technischen Universität Dresden (2023):
https://ig-infrarot.de/studie-tu-dresden/

Foto: Oekoswiss Energy